Oliver Tettenborn, Görlitz Judith von Radetzkys Inszenierung ist es gelungen, etwas in die Form eines guten, bewegenden Theaterabends zusammen zu führen, was sich oft in verfeindeten Lagern ideologisch verbarrikadiert: Auf der einen Seite psychologisches Solisten-Theater mit großen Monologen, andererseits fast Marthalernde musikalische und choreographisch gemalte Ensemble-Tableaus, die ironische Distanz und Verfremdung schaffen; einerseits professionelle Solistenkunst, andererseits Liebhaber und engagierte Laien, ohne dass die einen die anderen bloßstellten oder zur Staffage herabspielten; einerseits den Blick in die mögliche Tragik und die offensichtlich zweifelhafte „Happyendigkeit“ des Happy Ends, andererseits der Mut, auch einmal komödiantisch über die Stränge zu schlagen. Gropius muss sich nicht schämen, in „seinem“ Kulturhaus ein solches Stück von Oben zu sehen…..
Bertil Wewer, BVV Neukölln/Grüne, Shakespeare im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt. Die Staffel mit der überaus sehenswerten Shakespeare – Inszenierung „Allen eine Chance – Maß für Maß“ ging heute im Gemeinschaftshaus Gropiusstadt zu Ende. Die Aufführung dieses Stadtteilprojekts war richtig „großes Theater“. Schade nur, dass das Stück nicht länger aufgeführt wird. Hier gibt es wenigstens einen Trailer.
Sabine Jung, Schauspielerin, Köln. Dieses Vorhaben hat gezeigt, dass es sich lohnt ein künstlerisch professionelles Projekt an einem Ort wie dem Gemeinschaftshaus zu machen und zu zeigen. Shakespeares Theater war Volkstheater, in dem besonderen Sinne, dass er für Menschen und zugleich große Literatur schreiben konnte. Dass die Zeit damals Shakespeare hervorbrachte, heißt ja auch, dass dieses Publikum Shakespeare hervorbrachte. Auch in der Gropiusstadt wurde ein Publikum hervorgebracht und das Bedürfnis nach mehr geweckt, das konnte man fühlen, sehen und hören. Es bedürfte hier einer ernsthaften Kontinuität und des Vertrauens in die Theaterkunst. Einer Theaterkunst, die Menschen, Zuschauer und Macher erreicht und nicht langweilt, mag nicht mehr selbstverständlich sein, ist aber um so wichtiger, speziell für einen kulturell benachteiligten Stadtteil wie die Gropiusstadt. Theater als Lokaltermin: als ein Ort der Solidarität, der Menschlichkeit, der Integration und Empathie.
Collage: Monika Küßner