Dialoge zur Kunst
am 12.12.2010
Ein kühnes Unternehmen, theoretische, wenn auch dialogisch gehaltene Texte zur Kunst in den Theater-Raum zu stellen. Und…es ist gelungen!
Sokrates und Ion fechten einen zähen Zweikampf aus. Am Ende kann man sich vorstellen, dass – wie man sich erzählt – Ion zu denen gehört, die Sokrates den Schierlingsbecher gereicht haben. Matthias Hörnke und Lars Jokubeit ziehen den Zuschauer ganz und gar in ihren Bann, lassen Gedanken Gestalt werden im Raum, lassen durch die Intensität des Spiels auf der Beziehungsebene kaum spürbar werden, dass Platons insistierende Mäeutik ziemlich entnervend ist.
An die Stelle des Goethe-Textes tritt – zum Glück – André Scioblowski mit einem inneren Monolog nach einer Erzählung des ungarischen Autors Kraznahorkai, an dessen Ende der Zuschauer mit der Figur in einem unerträglichen Gefühl von Fremdheit zu Boden geht, und das, nachdem er endlich eine einzige Tür in dieser Welt offen findet, die zu einer Ausstellung von Ikonen. Wie Kunst auch zerstörerisch sein kann, erlebt der Zuschauer in diesem Spiel von großer Intensität.
Beinahe abrupt und befreiend entführen Anja M. Korpiun und Stephan Fischer mit dem Dialog über das Marionettentheater in die Welt der Leichtigkeit und Anmut. Mit Charme und Witz vermitteln sie die Erkenntnis, „welche Unordnungen, in der natürlichen Grazie des Menschen, das Bewusstsein anrichtet.“ (Kleist) Da sie doch keine Marionetten sind: ob ihr Bewusstsein wohl durch ein Unendliches gegangen ist?
Die minimalistisch eingesetzten Klänge und Töne des Musikers Kamil Tchalaev rhythmisieren, pointieren und erzeugen durchgehend eine vibrierende Spannung.
Man möchte sehr vielen Zuschauern diesen schönen Kunstgenuss im gar nicht so fernen Wedding gönnen.
Marianne Geist